Jenz Steiner - Da hängt ihre Jacke
vom Album: Steiner, wie er singt und lacht (2009) prod.: Dehf One (Pilskills), rec.: Tillevision free Download mp3: http://reifenwechsler.podspot.de/files/28%20Da%20haengt%20ihre%20Jacke.mp3 Website zum Album: http://www.steinerwieersingtundlacht.de Text: Da hängt ihre Jacke. Da hängen ihre Fotos. Bis jetzt weiß noch niemand, dass sie schon tot ist. Der Kamm und die Bürste, noch vorhin benutzt. Vor 20 Minuten die Zähne geputzt. Den Schlüssel geschnappt, zum Bus gerannt, das Frühstück vergessen, den Rücken verspannt, die letzte Nacht voll schlecht geschlafen, die letzte Nacht voll schlecht geschlafen, zerwühltes Laken, vorm Bett das Kissen, das Bild vom Nachttisch umgerissen, im Notizblock drei Termine, Kassetten von Hitchcock -- Drei Detektive. Flinken Fußes zur Bushaltestelle. Ein Blinken, ein Hupen, ein Krachen voll schnelle, ihr Körper im Regen, die Hände noch warm, sie wird sich nicht regen, es blutet der Arm. Im Büro kommt sie nicht an, Verspätung bei der Straßenbahn. Der beste Freund ruft bei ihr an. Ans Telefon geht sie nicht ran. Er hört sich ihre Stimme an. Ihre Stimme gebannt auf Band. Zum allerletzten Mal. Ihm grummelt der Magen. Er macht sich Sorgen. Ein dumpfes Gefühl schon nachts und morgens. Zum allerersten Mal. Der Krankenwagen braucht kein Blaulicht, weil in ihm eine tote Frau liegt. Eine Freundin sieht den Unfallort und denkt sich nichts und geht wieder fort. Betretenes Schweigen im Bullenrevier. Wer soll die Eltern informieren. Niemand weiß es, niemand reißt sich. Ist schon 11.35 Uhr. Einer sagt: „Es ruft die Pflicht." Zwei Andere werden losgeschickt. Sie gucken sich an. Sie gucken geknickt. Die Eine seufzt, der andere nickt. Kein Wort im Auto, keine Silbe. Der Tag ist voll schön, das Wetter so milde. Sie klingeln an der Tür. Hinter der Tür zuckt die Mutter zusammen. Sie zieht sich was über, geht zögerlich ran und öffnet einen Spalt, ihr wird tierisch kalt. Sie merkt wie es im Magen sticht und liest die Nachricht aus seinem Gesicht, bevor der Polizist sein Beileid ausspricht. Ihr dröhnt es im Kopf, es flackert das Licht. Sie rennt zum Fenster, überlegt zu springen, denn ohne die Tochter hat das Leben keinen Sinn. Da kann sie nicht machen. Sie zögert zu lang. Sie fühlt sich zerbrochen, doch reißt sich zusammen. Ein Schrei erstickt in ihrer Kehle, verloren ein Teil von ihrer Seele, von Körper und Geist, von ihrem Leben. Sie sammelt die Kräfte, wird ruhig und besonnen. Was sagt sie dem Vater, wenn er wiederkommt. Unsere Tochter ist gestorben. Der beste Freund wird angerufen. Auf dem Weg zu ihr noch 14 Stufen bis zu ihrer Wohnungstür. Doch sie ist schon nicht mehr hier. Er beißt auf die Zunge und schlägt gegen die Wand. Ein verzweifelter Junge mit blutiger Hand. Er hat was geahnt, doch nichts gewusst. Es blieb keine Zeit für einen Abschiedskuss. Er wollte mit ihr durch die Straßen tollen. Er hat ihr noch soviel sagen wollen. geschmiedete Pläne erübrigen