Türkei. Die Armee und der Putschversuch (ARD Weltspiegel, 17.06.16)
Chaos und Zerstörung: Das türkische Parlament nach dem Putschversuch. F-16-Kampfjets und Militärhubschrauber haben das Gebäude massiv verwüstet. Mustafa Yeneroglu zeigt sich immer noch erschüttert über die Vorgänge in der Nacht von Freitag auf Samstag. Der in Deutschland aufgewachsene Abgeordnete der islamisch-konservativen Regierungspartei AK Partei war gemeinsam mit vielen anderen Abgeordneten während der Angriffe im Parlament bei einer Sondersitzung: "Während der Rede des Parlamentspräsidenten gab es erste Bombeneinschläge. Wir sind aber sitzen geblieben. Wir waren uns darüber einig, dass wir das Parlamentsgebäude schützen müssen. Hier in diesem Bereich hat man von außen insbesondere mit Maschinengewehren… Ich sehe man hat hier auf der Außenseite sehr, sehr viele Einschusslöcher. Das ist der Bereich, wo der Ministerpräsident normalerweise sitzt, wenn er ins Parlament kommt." "Von einer Organisation unterwandert" Yeneroglu sagt, Teile des Militärs und der Justiz in der Türkei seien von einer Organisation unterwandert, die Präsident Erdogan absetzen wolle. Die türkische Regierung wüsste das seit einiger Zeit und hatte vor, im August in beiden Institutionen illoyales Personal auszutauschen: "Es gab Vorbereitungen jetzt für den August, nicht nur im Bereich der Justiz, sondern auch im Bereich der Militärs. Viele Generäle hätten ausgetauscht werden sollen, weil sie eben als Teil dieser Strukturen ausgemacht wurden. Und entsprechend gab es Vorbereitungen auf diese Aktionen. Dem wollten die Militärs gemeinsam auch mit Teilen der Bürokratie und der Justiz zuvorkommen." Die Rolle der Gülen-Bewegung Kopf der Anti-Erdogan-Organisation sei Fetullah Gülen, ein islamisch-konservativer Prediger, der in den USA im Exil lebt. Lange Zeit waren er und Erdogan Weggefährten. Hier das großzügige Anwesen des Predigers in Pennsylvania. Inzwischen nennt der türkische Staatspräsident die Gülen-Bewegung eine Terrororganisation, die nichts anderes wolle, als ihn zu stürzen. Aydin Engin, stellvertretender Chefredakteur der linksliberalen und Erdogan kritischen Cumhuriyet Tageszeitung bestätigt den Einfluss der Gülen-Bewegung im Militär: "Gülen sagte bereits in den 70er Jahren, dass es nicht so wichtig sei, jeden Tag in die Moschee zu gehen oder Kopftuch zu tragen. Es sei wesentlich wichtiger, einen guten Schulabschluss zu machen und studieren zu können, damit Gülen-Anhänger im Staatsapparat, also in der Finanzverwaltung, der Justiz und der Armee vertreten sind. Das hat die Gülen-Bewegung auch geschafft, insbesondere in Justiz und Armee." Erdogan-Anhänger auf die Straße! Der AK Partei Mann Yeneroglu geht davon aus, dass die Gefahr eines weiteren Putsches durch das Militär auf längere Zeit gebannt ist: "Diese Gruppe wusste, dass das ihre letzte Möglichkeit ist, sich am Leben zu halten, sich in den Strukturen der Türkei als Parallelstruktur zu etablieren. Wir haben dafür viele Säuberungsaktionen gehabt. Wir wussten aber nach wie vor, dass insbesondere in der Justiz, in